Die Gilde und Ich
Zunächst einmal sei vermerkt – und das ist ohne Zweifel wahr – die Gilde ist viel, viel älter als ich und hat auch jede Menge historische Höhepunkte erlebt bevor ich das Licht der Welt als Mitglied einer Schützenfamilie erblickte.
Gründungsjahr des Vereins ist das Jahr 1882. Im Volksmund war die Gesellschaft auch unter dem Namen „die dünnen Herren“ bekannt, wohl weil es sich bei den Mitgliedern nicht um gutbeleibte, sondern um ranke, schlanke Herren handelte. Die Tradition des Armbrustschießens geht jedoch bis in das 16. Jahrhundert zurück. Erste urkundlich belegte
Nachrichten über die „Uralte hochlöbliche Gesellschaft Sancti Sebastiani“ datieren vom 5. Juni 1525. Einige Traditionen aus der guten alten Zeit haben sich bis in die heutige Zeit erhalten, wie zum Beispiel die Begleitung der Herren Schützen mit Fähnlein, Spiel und Trommelschlag zu Ehren ihres Königs. Ebenso wurde durch Sitzungsbeschluss im Jahre 1764 festgelegt, dass der König das silberne Kleinod bei Umzügen selbst zu tragen habe. Wer sich diesem Beschluss widersetzte, dem wurde mit Ausschluss aus der Bruderschaft gedroht. Auch gab es seinerzeit schon eine Schlichtungsinstitution etwa vergleichbar mit dem heutigen Ehrenrat der Gesellschaft.
Im Mittelalter diente die Armbrust jedoch nicht nur sportlichen, sondern auch kriegerischen Zwecken, so ist nachzulesen, dass während der Belagerung Aachens 13.000 Männer von Armbrustschützen erschossen wurden. Am Rande vermerkt handelte es sich damals um Schießgeräte mit bis zu 8 m Spannweite, also nicht zu vergleichen mit der heutigen Armbrust, die lediglich dem sportlichen Zwecke dient.
So hat sich die Tradition des Armbrustschießens durch die Jahrhunderte bis in die Neuzeit geschlängelt. Eng verbunden mit dem Vereinsleben war und ist die Geselligkeit und die Brüderlichkeit. Auch die beiden Weltkriege konnten diesen Keim nicht ersticken. Zwar verlor die Gesellschaft im 2. Weltkrieg fast 70% ihrer Mitglieder, doch nach dem Krieg waren es genau sieben heimgekehrte Schützenbrüder, die „die Bogenschützengilde“ wieder aufleben ließen. Die alte Königskette aus dem Jahre 1911 wurde poliert und unter dem Namen Sankt Sebastianus Bogenschützengilde fand das 1. Königsvogelschießen im Jahre 1947 statt. Im Jahre 1948 bezog die Gilde ihren jetzigen Standort an der Siegelallee.
Es folgte am 21.5.1950 der nächste historische Höhepunkt – in der Marienkapelle fand unter großer Anteilnahme befreundeter Vereine die Weihe der neuen Fahne statt. Für Glaube, Sitte und Heimat ein zu stehen und zu streiten ist bis zum heutigen Tag der Grundsatz der Vereinsmitglieder. Altes Volksgut und Brauchtum sowie schöne alte Sitten wieder aufleben zu lassen und dies gepaart mit den Bedürfnissen und Ansichten der heutigen, schnelllebigen Zeit ist nach wie vor Anliegen des Vereins. Mit den Vorarbeiten zum nächsten historischen Höhepunkt, dem 75-jährigen Vereinsbestehen 1957 wurde bereits 1956 begonnen, denn es ging darum die alte Holzschießstange durch eine Eisenrohrstange zu ersetzen und gleichzeitig die Schießanlage zu versetzen. Rechtzeitig zum Jubelfest stand die neue Stange an ihrem neuen Standort, so wie es heute noch zu sehen ist.
Der Traum einer neuen Fahne zum Jubelfest ging auch in Erfüllung. Dies war erforderlich geworden, da das Material der alten Fahne nicht mehr den Anforderungen entsprach.1958 wurde auf der Anlage ein Vereinshaus errichtet. An dieses alte Holzhaus haben sicherlich die älteren Vereinsmitglieder noch schöne Erinnerungen. Der Anbau 1964 und damit verbunden die geräumige Theke und das zu Lüftungszwecken eingerichtete Fenster, das kurzerhand um – funktioniert wurde, ist heute noch ein Begriff. Die Erinnerungen an feucht-fröhliche Stunden am „Rüütsche“ lässt so manche Herzen höher schlagen.
Im Jahre 1958 wurde aber auch die erste Jungschützenabteilung der Gilde ins Leben gerufen.
Zum 80-jährigen Bestehen des Vereins im Jahre 1962 opferte der damalige Baumeister Josef Meuthrath ein aus altem Familienbesitz stammendes achtzigjähriges Vertiko und schnitzte daraus den Königsvogel.
Der erste und bislang einzige Bundeskönig der Gesellschaft ist Herbert Jope. 1968 gelang es ihm, diese Würde nach Burtscheid zu holen. Während einer Pilgerfahrt nach Rom an dem das Bundeskönigspaar 1969 teilnahm, wurde unsere Königskette bei einer Audienz im Petersdom durch Papst Paul VI. gesegnet.
Neue Ideen und Veränderungen im Vereinsleben sind immer wieder willkommen. Die Einführung des „Bürgerkönigschießens“ im Jahre 1969 ist solch eine Veränderung, die sich bis heute gehalten hat.
Ein großes Ereignis in der Vereinsgeschichte ist auch der Bau des neuen Vereinsheimes 1972.
Am 7.4.1973 konnte das jetzige Heim eingeweiht werden.
Die Gründung einer „Schülerschützenabteilung“ 1976 kam mir sehr entgegen. Ab jetzt konnten auch die Schüler zwischen 10 und 14 Jahren ihr sportliches Können mit der Armbrust unter Beweis stellen.
1977 musste die Bruderschaft tief in die Tasche greifen. Die 21 Jahre alte Schießstange erfüllte nicht mehr die geforderten statischen Voraussetzungen und es musste eine neue Stange angeschafft werden.
Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus…. 1979 meine Geburt.
Die Generalprobe für das 100-jährige Jubelfest war im Jahre 1980. Der Landesverband der Armbrustschützen Aachen-Stadt und Aachen-Land beauftragte die Gesellschaft mit der Durchführung des Bundeskönigschießens.
Wir schreiben das Jahr 1982…. Ich feierte und feierte und wusste eigentlich nicht warum.
Später war es klar, das 100-jährige Bestehen der St. Sebastianus Bogenschützengilde war das Ereignis und ich war mittendrin; ich gehörte zur großen Schützenfamilie. Getreu dem Wahlspruch für Glaube, Sitte und Heimat wurde nicht nur dem Schießsport gehuldigt, sondern auch der Geselligkeit.
Auch in den folgenden Jahren gab es viele Höhen und Tiefen im Vereinsleben – die ich miterleben durfte und musste.
Zu den Höhepunkten zählt u.a. Sanierung des Vereinsheims, die erfolgreiche Umgestaltung der gesamten Schützenanlage, die notwendig gewordene Änderung der Schießanlage aufgrund neuer gesetzlicher Vorschriften und wieder eine neue Fahne und v.m.
Ein einschneidiges Ereignis, welches unweigerlich zu den Tiefen im Vereinsdasein zählt, ist die grundlegende Änderung des Waffengesetzes im Jahre 2004. Damit verbunden waren enorme Auflagen, die ein Umdenken in der Vereinsstruktur erforderten.
Zum Schluss sei nun erwähnt, die Schützenwiese an der Siegelallee ist für mich ein Ort der Entspannung und des Wohlfühlens für die ganze Familie. Auch wenn der Sport des Armbrustschießens den männlichen Familienmitgliedern vorbehalten bleibt, so wird doch der Rest der Familie nicht vernachlässigt.
2007 feiert die Gesellschaft ihr 125-Jähriges. Ich hoffe, es gelingt dem Verein weiterhin zu zeigen, dass der Schießsport mit der Armbrust auch heute noch seine Daseinsberechtigung hat.
Die Bruderschaft und der Name „St. Sebastianus Bogenschützengilde“ sind ein Garant für Glaube, Sitte und Heimat und dies weit über die Grenzen Burtscheids hinaus.
Was mich betrifft, ich bin durch meine Geburt in die Schützenfamilie reingestolpert, habe sowohl die guten wie auch die weniger guten Seiten kennen gelernt. Ich habe jedoch bislang nicht bereut, Mitglied dieser Familie zu sein und werde dies auch weiterhin bleiben.
Ich werde das Schild des Vereins sowie die damit verbundenen Grundsätze und Traditionen im Sinne meiner Vorfahren immer hochhalten und dies auch der Generation nach mir weitergeben.
Mit freundlichem Schützengruß
Einer von Euch